Tierschützer wollen „Tierzentrum“ in Mienenbüttel verhindern
Neu Wulmstorf. Mit einem offenen Brief an die Neu Wulmstorfer Verwaltung richten sich Lobby pro Tier, SOKO Tierschutz e.V. und ETHIA jetzt auch an die Öffentlichkeit. Die Tierschützer wittern eine PR-Falle des ehemaligen Laborbetreibers. In einem offenen Brief fordern sie die Verwaltung auf, diese Nutzung zu verhindern.
Offener Brief:
An Bürgermeister Wolf Rosenzweig und die Fraktionen des Gemeinderates Neu Wulmstorf , An Landrat Rainer Rempe und die Fraktionen des Kreistages Landkreis Harburg
Wir fordern gemeinsam:
KEIN „Tierzentrum“ auf dem LPT-Gelände in Mienenbüttel!
Sehr geehrter Herr Rosenzweig, sehr geehrte Ratsmitglieder,
Sehr geehrter Herr Rempe, sehr geehrte Kreistagsmitglieder,
„Tierschutz“ und „Transparenz“ sind nicht die Worte, die einem in den Sinn kommen, wenn man es mit dem LPT und seinen Tierversuchslaboren zu tun hat. Aber gerade das sind die Werte, die die neue Geschäftsleitung gerade versucht für sich zu etablieren. Seit Jahrzehnten generiert das LPT Familienunternehmen satte Profite mit Tierversuchen. Zu keinem Zeitpunkt haben die Inhaber auch nur ansatzweise Zweifel daran zugelassen, dass sie ein in ihren Augen seriöses Geschäft betreiben. Stets schottete das Unternehmen sich und seine Labore hermetisch ab. Nicht einmal unserem Neu Wulmstorfer Bürgermeister Wolf Rosenzweig wurde trotz mehrfacher Anfrage Einlass gewährt. Eine Abordnung der niedersächsischen Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen erhielt keine Antwort auf eine offizielle Besuchsanfrage und Nachfrage der Referentin des damaligen Tierschutzbeauftragten Heiner Scholing und stand vor verschlossenem Tor.
Mit den Aufdeckungen von brutalstem Umgang mit den Tieren im Mienenbütteler Tierversuchslabor und Manipulationen von Versuchsreihen durch die Undercover-Recherche von SOKO Tierschutz e. V. kamen im Herbst 2019 Bilder und Informationen an die Öffentlichkeit, die insbesondere die Tierhaltung und die Zuverlässigkeit der Verantwortlichen infrage stellten und zur behördlichen Schließung des Horrorlabors im Januar 2020 führten. Das LPT selbst hat sich mit seinem Verhalten einen veritablen Imageschaden in der Öffentlichkeit und bei Geschäftspartnern beigebracht.
Die Schließung des Hamburger Labors nur wenige Wochen später konnte nur rückgängig gemacht werden durch den Einsatz eines Unternehmenssanierers, diverse Firmen- und personelle Umstrukturierungen. Das Oberverwaltungsgericht Hamburg sah damit die Zuverlässigkeit im
Zusammenhang mit Tierhaltung und Tierversuchen für gegeben an, obwohl die staatsanwaltlichen Untersuchungen auch heute noch nicht abgeschlossen zu sein scheinen.
Natürlich ist dem LPT und der Familie Leuschner daran gelegen, die langjährige Profitabilität wieder herzustellen. Und auch der Unternehmenszweck, der sich auf dem tagtäglichen Leid unzähliger unschuldiger Tiere begründet, wird weiterverfolgt. Genau dafür haben die Inhaber einen Sanierer eingekauft, der sowohl die Zuverlässigkeit im Sinne des Tierschutzes gegenüber den Kontrollbehörden garantieren, als auch das lädierte Image wieder aufpolieren soll.
Mit dem Schachzug, im ehemaligen Todeslabor in Mienenbüttel ein „Tierschutzzentrum“ einzurichten, kam das LPT vor wenigen Monaten aus der Deckung und versucht dieses der Kontrollbehörde im Landkreis Harburg und der Gemeinde Neu Wulmstorf schmackhaft zu machen. Denn auch dafür benötigt es eine Tierhaltungsgenehmigung, eine Genehmigung baulicher Veränderungen und eine Änderung des Flächennutzungsplanes, denn dieser weist bisher nur ein „Sondergebiet Tierversuchslabor“ aus. Eine andere Nutzung ist somit nicht vorgesehen und für Tierhaltung und Tierversuche hat das LPT keine Erlaubnis mehr. Mit Stand von heute wurden lt. Behördenauskunft seitens des LPT KEINE Anträge auf eine Nutzungsänderung gestellt, geschweige denn von den Behörden Genehmigungen erteilt. Trotzdem versucht das LPT in seinen in schöner Regelmäßigkeit erscheinenden Pressemitteilungen zu vermitteln, es wäre alles schon in trockenen Tüchern.
Das LPT sprach früh von „zwei gemeinnützigen Organisationen, die sich ausschließlich dem Wohl der Tiere widmen und nicht gemeinsam mit Tierrechtlern gegen Forschungseinrichtungen agitieren“. Inzwischen ist auch der Name der Person (einer „Tiertherapeutin“, was immer das heißen mag) bekannt geworden, die dahinter stehen und in Hamburg für den Hundekontrolldienst zuständig sein soll, dem Dienst, der die in Hamburg sogenannten „Listenhunde“ und andere „schwierige Hunde“ einzieht. Was bedeuten würde, und das scheinen inzwischen viele Hinweise zu bestätigen, dass beabsichtigt wird, in Mienenbüttel vorrangig die sogenannten „Listenhunde“ und schwierige Hunde aus Hamburg unterzubringen.
Über Kleinanzeigen der angeblich gegründeten, aber bisher weder ins Handelsregister eingetragenen, noch gemeinnützigen „Tierzentrum Neu Wulmstorf GmbH“ wird bereits seit Wochen nach Personal gesucht, Tierärzte, Pfleger, Reinigungskräfte und Gassigeher. Dem zuerst propagierten Begriff „Tierschutzzentrum“ ist der „Schutz“ bereits abhandengekommen.
Eine weitere angeblich gemeinnützige GmbH „Reso Zentrum für benachteiligte Tiere gGmbH“, über die es auch bisher keinen Handelsregistereintrag gibt und somit eine Gemeinnützigkeit erst recht nicht vorliegen kann, soll aller Voraussicht nach Spenden generieren. Vermeintlicher Geschäftsführer der gGmbH soll übrigens der Ehemann der Geschäftsführerin der GmbH sein. Über die Gesellschafter beider GmbHs ist im Übrigen bisher gar nichts bekannt.
Aber vor Ort wird gewerkelt und umgebaut, als gäbe es keine Zweifel an der Durchsetzung dieses Projektes. Den vermeintlichen Geschäftsführern ist es anscheinend völlig egal, mit wem sie hier Geschäfte machen. Zu lukrativ scheint der in Aussicht gestellte Handel zu sein. In diesem Zusammenhang scheint auch die Gefahr einer Kontamination auf dem Gelände, die bisher nicht abschließend untersucht wurde, den LPT-Partnern nicht bewusst zu sein. Hier sehen wir dringenden Handlungsbedarf, bevor auf dieser Fläche etwaige Aushubarbeiten stattfinden.
Von 200 Hunden und 50 Katzen ist die Rede, die dort unterkommen sollen.
Grundsätzlich könnte man als Tierschützer erfreut sein über dieses Projekt, ABER …
1. Das Gelände gehört dem LPT und soll anscheinend nicht verkauft oder der Gemeinde überlassen werden, die Interesse an der Übernahme signalisiert hat. Das LPT hat sich ihm genehme Partner ausgesucht, die das brutale tödliche Geschäft mit Tieren im Labor nicht zu stören scheint. LPT versucht mit diesem Projekt das angeschlagene Image aufzupolieren, indem es sich vermeintlich für Tierschutz einsetzt.
Sobald der Ruf des LPT wieder hergestellt sein wird, wird es wahrscheinlich erneut personelle Veränderungen geben. Wer garantiert dauerhaften Tierschutz und Transparenz auf dieser Basis?
2. Eine Anlage mit schwer vermittelbaren Tieren in der beschriebenen Größenordnung verursacht sehr hohe Kosten, die auf dem reinen Vermittlungswege und über normales Spendenaufkommen in keinem Fall wieder hereinzuholen sind. Davon können viele Tierheime ein Lied singen.
Wer also finanziert und kontrolliert ein solches Objekt tatsächlich?
Wird die Stadt Hamburg die dort ausgelagerten “Listenhunde” finanzieren? Dann wäre das sicher ein lukratives Geschäft und zusätzlich eine willkommene Imagewerbung des LPT auf Kosten der Hamburger Steuerzahler.
Nehmen wir einmal an, die Stadt Hamburg zahlt für die Unterbringung eines Hundes die wohl üblichen 15 € pro Tag. Das wären 5.475 €/Hund/Jahr. Bei nur 100 Hunden könnten so schon Einnahmen in Höhe von 547.500 €/Jahr gesichert sein. Bei 200 Hunden, von denen bereits die Rede war, käme diese Firmenverflechtung bereits auf Einnahmen von 1,1 Millionen €/Jahr. Diese Einnahmen wären eine sichere Bank, wenn man einerseits an der Quelle (Hundekontrolldienst) sitzt, die für den Hundenachschub sorgt und die wahrscheinlich auch die Kostenerstattung regelt und andererseits gleichzeitig mit der „Reso Zentrum für benachteiligte Tiere gGmbH“ und/oder der „Tierzentrum Neu Wulmstorf GmbH“ Empfänger der Gelder wäre.
Vorstellbar wäre, die gemeinnützige gGmbH erhält das Geld, die GmbH macht die Gewinne durch interne Verträge und das LPT profitiert, indem es sich den Tierschutz auf die eigene Fahne schreibt und sich damit in bekannter Manier selbst promotet.
3. Wer steckt hinter den GmbHs? Wer sind die Gesellschafter? In welchem Verhältnis stehen die handelnden Personen zum LPT? Welche Einflussmöglichkeiten sichert sich das LPT?
4. Gibt es für eine Anlage, wie diese mit schwierigen Hunden, ein Sicherheitskonzept, das auch die Qualifikationen z. B. von Gassigehern beschreibt und garantiert?
In den Dörfern Mienenbüttel, Rade und Ohlenbüttel leben viele Hundebesitzer, die sich ganz sicher nicht über Begegnungen mit aggressiven Hunden und überforderten Gassigängern freuen. Es gibt kaum Möglichkeiten, sich aus dem Weg zu gehen.
5. Warum bringt man Tiere aus einem anderen Bundesland, in dem man sie anscheinend nicht mehr haben möchte, nach Mienenbüttel?
Auch Hamburg wird sicher Gelände haben, das dafür zur Verfügung gestellt werden kann.
6. Wie stellt man sich die Unterbringung so vieler eher großer schwieriger Hunde vor, für deren Haltung ganz sicher weder das Gelände, noch die Zwingeranlagen geeignet sind, weder für Einzel-, noch für eine Gruppenhaltung oder die Resozialisierung der Tiere?
Es handelt sich offensichtlich um Hunde mit ganz besonderen Bedürfnissen. Diesen gerecht zu werden, bedarf es höchster individueller Fürsorge. Das Geschäftsmodell aber ist – mit der kommunizierten Anzahl an Hunden – aber auf „Masse statt Klasse“ ausgelegt. Auch hier scheint das Wohl der Tiere dem Profit untergeordnet zu werden.
7. Die südlichen Dörfer von Neu Wulmstorf müssen bereits viele Belastungen ertragen, maximale Verkehrsbelastungen durch die Autobahn A1 und die vielbefahrene B3, 120 Hektar Gewerbegebiet mit großen Logistikhallen und Autohof. Hinzukommen ein neues Distributionszentrum von McDonalds auf dem Gelände gegenüber dem LPT, für das eine Obstplantage weichen muss und ein Logistikzentrum eines Geflügelhofes an der B3.
Der ehemalige Betrieb des Tierversuchslabors rechtfertigt nicht auch noch eine ebenso wenig willkommene Massenhaltung von schwierigen Hunden, weil sich an anderer Stelle zu viele Proteste erheben würden.
8. Die Tierzentrum Neu Wulmstorf GmbH und das LPT verbreiten aktuell, dass der Betrieb in Mienenbüttel bereits zu Beginn des II. Quartals 2021 aufgenommen werden soll. Dabei sind derzeit, wie oben geschrieben, weder Anträge, noch Genehmigungen für den Betrieb durch den Landkreis, noch für eine Flächennutzungsplanänderung durch die Gemeinde bekannt. Da scheinen also Imagewerbung und Realität noch weit auseinanderzuklaffen.
Hinzu kommen in diesem Zusammenhang die fehlenden abschließenden Untersuchungs- und möglicherweise erforderlichen Dekontaminierungsarbeiten des Geländes, die lt. Auskunft des Landkreises erst nach Antragstellung erfolgen würden.
Aktuell fahren die Akteure des LPT in Mienenbüttel anscheinend einen neuen Kurs: „Mache Dir Deine Feinde zu Verbündeten“.
Ehemalige Mahnwächter, eher nicht in den Dörfern von Neu Wulmstorf ansässig, die allem Anschein nach immer wieder vor dem ehemaligen leeren Tierversuchslabor ihre emotionalen Erinnerungen auffrischen, werden von LPT-Partnern namentlich angesprochen, erhalten persönliche Führungen durch die Todesstätte und lassen sich offenbar einlullen von blumigen Worten und Versprechungen. Da findet man in den letzten Tagen im Netz tatsächlich erstaunlich euphorische Veröffentlichungen und Kommentare zu diesem „Tierzentrum“ von Menschen, die seit Monaten gegen das LPT und die Tierversuche an allen drei Standorten protestiert haben und es auch heute immer noch tun. Fast hört es sich schon nach Werbung für das LPT-Projekt an, wenn quasi zur Besichtigung des Objektes „eingeladen“ wird, Besichtigungen für Dritte mit den LPT-Partnern organisiert und anschließend hochemotional die persönlichen Eindrücke veröffentlicht werden. Trotz vieler Zweifel kommen dort immer häufiger Bemerkungen vor, wie „man muss dem eine Chance geben …“, „wenn es den Tieren dort gut geht …“ oder „wird eine gute Sache …“.
Die Tierversuche, gegen die so viele Menschen seit Jahren kämpfen, scheinen tatsächlich von einigen schnell verdrängt zu werden. Ein Kuhhandel zu Lasten all der Tiere, die weiterhin in den LPT-Laboren gequält und getötet werden.
Eine sehr schlaue Taktik des LPT, möglichen Widerstand im Vorwege zu brechen und in gewünschte Bahnen zu lenken. Anscheinend merken einige nicht, dass man sie (be)nutzt für eine doch sehr durchschaubare PR-Masche.
Lobby pro Tier – Mienenbüttel hat nicht 12 Jahre lang die Tierversuche beim LPT angeprangert, um sich jetzt ein X für ein U vormachen zu lassen. Wo LPT draufsteht, ist auch LPT drin. Solange beim LPT Tierversuche an den Standorten Neugraben und Gut Löhndorf stattfinden, wird es beim LPT weder echten Tierschutz, noch Transparenz geben, egal was man uns mit der Imagekampagne in Mienenbüttel weismachen will.
Aus diesem Grund sprechen wir uns in aller Deutlichkeit gegen dieses Projekt in Mienenbüttel aus.
Wir ersuchen deshalb hiermit die entscheidenden Behörden in Gemeinde und Landkreis, sowie die Fraktionen im Rat der Gemeinde und im Kreistag, diesem dubiosen Projekt nicht zuzustimmen und Anträge für Nutzungsänderungen unter diesen Voraussetzungen abschlägig zu bescheiden.
Mit freundlichen Grüßen,
Sabine Brauer
Lobby pro Tier – Mienenbüttel
Initiative für tierversuchsfreie Forschung
Mitunterzeichner:
Friedrich Mülln – SOKO Tierschutz e. V.
Bettina Jung – Menschen- und Tierrechtsinitiative ETHIA