
„Deutschlandkurve“ findet neue Heimat im Binnenhafen
Harburg. Rechtzeitig vor dem 175. Jahrestag der Eisenbahn in Harburg konnte ein bedeutendes und seltenes Detail vor dem Verschwinden bewahrt werden: Das letzte übrige Stück der Eisenbahnkurve mit dem engstmöglichen Radius („Deutschlandkurve“) wurde für den Velorouten-Ausbau an der Kreuzung Blohmstraße/Karnapp entfernt – und jetzt von Familie Mönke übernommen. Durch Einbau ins Pflaster des offen begehbaren Teils auf ihrem Grundstück an der Blohmstraße beim Projekt Aqua2Dock wird die industriekulturelle Besonderheit sichtbar bleiben – und das so nah wie möglich am Fundort.
Das „regelspurige Bogengleis – Modell Deutschland“, entwickelt 1920 von der Maschinenfabrik Deutschland, Dortmund, ermöglichte in engen Industriebetrieben häufig als Alternative zur Drehscheibe den durchlaufenden Richtungswechsel auf engstem Raum. Möglich wurde dies durch einen Trick: Von den mit Spurkranz versehenen Eisenbahn Rädern wurden die kurvenäußeren Räder mit einem sogenannten Auflaufgleis soweit angehoben, dass nunmehr der Spurkranz auf der Gleisoberfläche und nicht daneben bzw. dazwischen rollte. So waren Kurvenradien von 35m Enge möglich. (Zum Vergleich: Im langsamen Rangierbetrieb sonst mindestens 180m Radius, im Überlandverkehr 900 bis 1200m Radius)
Eingesetzt wurde diese Deutschlandkurve in Harburg, um das Anschlußgleis Blohmstraße im rechten Winkel in die Unterelbebahn einzufädeln. Genutzt von den Anliegern – auch Mönkes „Palettenservice“ war dabei – wurde sie bis in die 1990er Jahre. Im Zuge des Velorouten Baues musste nun der komplette Gleisabschnitt weichen – aber die „Deutschlandkurve“ als engstmögliche Eisenbahnkurve wird erhalten bleiben. Zusammen mit der Drehscheibe am Schellerdamm sind damit die zwei Möglichkeiten, mit der Eisenbahn „um die Ecke zu kommen“ sichtbar geblieben und werden im Jahr 2022 eine Rolle spielen, denn die Eisenbahn, die vor dann 175 Jahren in Harburg ankam, trug entscheidend zur industriellen Blüte Harburgs bei.
„Die spannende Mischung aus Alt und Neu“ ist das Pfund, mit dem der Bezirk Harburg im Sektor Industriekultur wuchern kann. Da nichts Altes dazukommt, ist es ein gutes Beispiel, wenn ein Investor bei Neubauten die Zeichen der Vergangenheit sprechen lässt durch Berücksichtigung und erklärende Integration geretteter Objekte. Familie Mönke hat das erkannt und setzt es gewinnbringend für sich und die Stadtgesellschaft um.
Den Anstoß zur Rettung der Deutschlandkurve gab Herr Fachet aus der Tiefbauabteilung des Bezirks, indem er in Vereinen nach Verwendungsideen anstelle der Verschrottung fragte. Bei Gorch von Blomberg klickte es und er stellte die Verbindung zu Mönkes her im Rahmen der Ausführungsplanung der Wasser-/Land-Schnittstelle des Projekts „Aqua2Dock“. Kurze Zwischenlagerung auf dem Bauhof der Maßnahme „Veloroute“ und die Hilfe der dortigen Baukoordination und mitarbeitenden Unternehmen ermöglichte Ende Oktober den Transport auf das Gelände des „Aqua2Dock“-Projekts. Nach Fertigstellung des vorgesehenen Hochbaues wird das Gleisstück dann seinen würdigen Platz finden. Die Aktion zeigt wieder die gute Kooperation im Harburger Binnenhafen.