Theaterpremiere in Harburg: „Die Laborantin“ – Eine Zukunftsvision von Ella Road
Harburg. Das Harburger Theater bringt ab dem 10. Januar 2025 mit „Die Laborantin“ ein Stück auf die Bühne, das auf erschreckende Weise die Grenzen zwischen Zukunftsvision und Realität verschwimmen lässt. Das Drama der jungen britischen Autorin Ella Road, in der deutschen Übersetzung von John Birke und unter der Regie von Sewan Latchinian, wirft einen kritischen Blick auf eine Gesellschaft, die von genetischen Ratings bestimmt wird. Die Ausstattung stammt von Birgit Voß, während Musik und Video von Massimo gestaltet wurden.
Im Zentrum der Handlung steht Bea, eine Laborantin in einer großen Klinik, die in einer Wachstumsbranche arbeitet. Ein einfacher Bluttest reicht aus, um Auskunft über Erbkrankheiten, Gendefekte und die Wahrscheinlichkeit psychischer und körperlicher Erkrankungen zu geben. Die Ergebnisse werden in einer einzigen Zahl auf einer Skala von eins bis zehn zusammengefasst – ein System, das ursprünglich als Fortschritt für die individuelle Gesundheitsvorsorge gedacht war, sich aber schnell auf alle Lebensbereiche auswirkt. Ohne ein gutes Rating geht nichts mehr: Weder Traumjob noch Date, noch Kredit fürs Eigenheim. Eine düstere Frage beginnt sich zu stellen: Wäre es nicht am humansten, Menschen mit schlechten Erbanlagen die Fortpflanzung zu verwehren?
Bea selbst hat mit einem Rating von 7,1 und ihr Freund Aaron mit 8,9 gute Chancen auf ein erfolgreiches Leben. Während Aaron seine Karriere als Jurist vorantreibt und Beas Beruf als krisensicher gilt, entdeckt Bea eine lukrative Möglichkeit, ihre Situation weiter zu verbessern. Als ihre Freundin Char nur einen Wert von 2 erhält, eröffnet sich Bea eine dunkle, aber verlockende Gelegenheit: In einer Welt, in der eine simple Zahl über die Zukunft entscheidet, sind gefälschte Testergebnisse bares Geld wert.
„Die Laborantin“ ist ein Stück, das auf tragikomische Weise die Anpassung und den Opportunismus der jüngeren Generationen thematisiert. Die Figuren sind gezwungen, sich einem unmenschlichen System zu unterwerfen, das nicht nur ihre beruflichen und persönlichen Entscheidungen bestimmt, sondern auch ihre gesamte Zukunft. Dabei wird deutlich, dass der Anpassungsdruck und die damit verbundene Lebensweise die Jugend schneller altern lässt als die unkonventionelle Lebenseinstellung des Mittfünfzigers David, des Hausmeisters der Klinik. David, der mit seinem Bauchgefühl und seiner gelassenen Art das genaue Gegenteil der jungen Protagonisten verkörpert, bietet einen Kontrast zur rastlosen Welt, in der Bea und ihre Freunde gefangen sind.
Die Premiere von „Die Laborantin“ findet am 10. Januar 2025 statt, weitere Vorstellungen folgen bis zum 18. Januar 2025. Das Stück ist eine fesselnde und zugleich beunruhigende Auseinandersetzung mit einer möglichen Zukunft, die jedoch schon erschreckend nahe an unserer Gegenwart liegt. Das Harburger Theater bietet mit dieser Produktion nicht nur packende Unterhaltung, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Diskussion über die Auswirkungen technischer und genetischer Entwicklungen.