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Geschichte

Gedenktag an Novemberpogrome: „Nie wieder ist jetzt!“

Neugraben-Fischbek. Das Gedenken an die Novemberpogrome von 1938 war in diesem Jahr durch die aktuellen Ereignisse in Israel und den auch in Deutschland wieder aufkeimenden Antisemitismus geprägt. Für den 9. November lud die AG Erinnerungskultur in Süderelbe an die Gedenktafel am Neugrabener Markt ein. Kerzen erleuchteten am Neugrabener Markt die Gedenktafel an die 500 tschechischen Jüdinnen, die 1944/45 im KZ-Außenlager Neugraben inhaftiert waren.

Stella’s Morgenstern spielten jüdische Musik und gaben der Veranstaltung damit eine besondere Atmosphäre. In seiner Ansprache ging Nils Steffen, Historiker und neuer Vorsitzender des Kulturhauses Süderelbe, nicht nur auf die Geschichte der jüdischen Frauen ein, sondern auch auf die Vorgeschichte: Der 9. November 1938 gilt heute als Übergang von der Diskriminierung jüdischer Mitmenschen zur systematischen Verfolgung im nationalsozialistischen Deutschland, die wiederum in den 1940er
Jahren zum Holocaust führte.



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Das, was heute zum KZ-Außenlager vor unserer Haustür bekannt ist, geht maßgeblich auf das Engagement des kürzlich verstorbenen Heiner Schultz zurück. Schultz hatte seit den 1980er Jahren zum Lager geforscht und den Kontakt zu über 40 überlebenden Frauen in aller Welt aufgebaut, die einst in Neugraben waren. Viele von ihnen waren der Familie Schultz freundschaftlich verbunden. Steffen hob diesen besonderen Verdienst für Süderelbe hervor und betonte, dass man dessen Erbe bewahren wolle.

„Nie wieder!“ sei seit Jahrzehnten zu einer Formel deutscher Erinnerungskultur gegen Antisemitismus und Faschismus geworden, so Steffen. Dennoch komme es seit Jahren und verstärkt seit Wiederaufflammen des Nahost-Konflikts wieder zuÜbergriffen auf jüdische Menschen. Steffen rief zu Solidarität und zum Handeln auf: „Nie wieder ist jetzt!“ Im Anschluss luden die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Süderelbe ins Jola des Kulturhauses Süderelbe ein. In einer einstündigen Präsentation zeigten die
Jugendlichen des Profils Sprache und Kultur dem vollbesetzten Saal die Ergebnisse ihrer Auseinandersetzung mit dem KZ-Außenlager, das in der Nähe ihrer Schule lag.

So entwickelten sie eine Führung für Mitschüler über das ehemalige Lagergelände, gestalteten Lernmaterial, setzten sich künstlerisch mit dem Leben im Lager auseinander, konzipierten eine eigene Website und begleiteten ihre Arbeit mit einem eigenen Filmteam. Die Schülerinnen und Schüler haben auch den Schritt in die sozialen Medien gewagt und kleine Einblicke in ihre Tätigkeiten auf Instagram (@sprache_kultur) und TikTok (@aussenlager_neugraben) geteilt.

Für die Jugendlichen geht der Profilkurs mit der Präsentation im Jola zu Ende. Sie übergaben ihre Arbeiten dem nächsten Jahrgang und formulierten Ideen und Wünsche für die weitere Beschäftigung. So könnten die Neuen sich stärker mit den italienischen Militärinternierten (IMI) auseinandersetzen, die ebenfalls am Falkenbergsweg interniert waren. Außerdem berichteten sie von dem gescheiterten Versuch, beim HVV eine Umbenennung der Haltestelle Neugrabener Heideweg zu erwirken, um das ehemalige Lager sichtbarer zu machen. Es ist den Schülerinnen und Schülern des nächsten Jahrgangs zu wünschen, dass sie an die erfolgreiche Arbeit ihrer Vorgänger anknüpfen können.

Die Ergebnisse der Schülerinnen und Schüler sind auf der Website http://www.schuelerprojekt-kz-aussenlager-neugraben.de zu finden. Die AG Erinnerungskultur in Süderelbe ist ein Zusammenschluss von Aktiven aus verschiedenen Vereinen und Initiativen, einschließlich dem Kulturhaus Süderelbe, der Geschichtswerkstatt Süderelbe, der Initiative Gedenken in Harburg, dem Gymnasium Süderelbe, der SPD Neugraben-Fischbek sowie den Kirchengemeinden Heilig Kreuz, Cornelius, Michaelis und Thomas.

2 Kommentare

  1. Was die Nazis getan haben, ist -im Wortsinn- unverzeihlich. Das Gedenken daran sollte nicht schwinden, aber anscheinend tut es das. Und wenn heute wieder 15 % der Bundesbürger die Rechtsextremen wählen, gibt das allen Anlass zur Besorgnis. Wer heute stolz ist, ein Deutscher zu sein, hat wohl nichts anderes auf das er stolz sein kann- und das ist nichts weniger als ein Armutszeugnis. Solche … ääh… Leute sind die Ersten, die wieder an Fackelmärschen und Pogromen teilnehmen würden, allen Stolpersteinen und Gedenkstätten zum Trotz. Die aktuellen politischen Entwicklungen lassen mich zweifeln, ob feingeistig- demokratische Beschwörungsformeln in der Lage sind, das „Nie wieder“ tatsächlich wahr werden zu lassen. Es sieht ja nicht danach aus. Im Gegenteil, ich sehe starke Tendenzen hin zu dem, was (im Kleinen wie im Großen) tatsächlich nie passieren darf:

    Der Verlust der humanen Orientierung!

    Denn der fängt ganz klein an und endet ratz-fatz in barbarischer Raserei.

    Vor diesem Hintergrund ist die deutsche Staatsräson alternativlos; trotzdem wirkt sie oftmals undifferenziert. Für meine Begriffe gilt es, drei Dinge zu unterscheiden, die gar zu schnell über einen Kamm geschert werden:

    1.) Der jüdische Glaube
    Ich als Nichtgläubiger erlaube mir da kein Urteil. Wenn es jemandem zum Seelenfrieden verhilft, soll er glauben was er will, solange er nicht auf die Idee kommt, Andersgläubige zu drangsalieren. Unabhängig vom Glauben kann man die Menschen unterteilen in solche, die Freude und solche, die Leid in die Welt bringen. Da muss jeder selbst entscheiden, auf welcher Seite er stehen will. Ich möchte nicht dereinst mit dem Gedanken sterben müssen, dass ich mich mein Leben lang wie ein Arsch benommen habe. Dann ist es nämlich zu spät.

    2.) Das israelische Volk
    ist ein Volk wie jedes andere. Menschen sind Menschen, egal ob sie am Nordpol, Südpol oder irgendwo dazwischen leben. Wer sich da zu Bewertungen versteigt, ist ganz schnell wieder bei der Rassenlehre. Nie wieder ist heute.

    3.) Die israelische Politik
    Das ist der Punkt, an dem meiner Meinung nach einiges an Kritik angebracht ist. Es könnte längst Frieden herrschen, wenn Israel sich nicht seit Jahrzehnten gegen eine 2-Staaten-Lösung gestellt hätte. Man besiedelt nicht fremdes Territorium, zerstört keine Zisternen, fällt keine Obstbäume und schubst keine fremden Häuser um. Durch solche Aktionen sind ganze Generationen in gegenseitigem Hass aufgewachsen, der den Leuten jetzt um die Ohren fliegt. Das rechtfertigt nicht die Taten der Hamas, aber es wäre durch eine klügere Politik vielleicht zu verhindern gewesen. Es gibt den psychologischen Effekt, dass jemand, der einmal Opfer war, zum Täter wird, um nie wieder Opfer zu werden. Damit sind wir wieder beim deutschen Anteil an der Geschichte- aber einen Mangel an Klugheit und Umsicht entschuldigt das nicht unbedingt.

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