
50% weniger AGH-Beschäftigte: Kürzungen im Bundeshaushalt schlagen in den Bezirk Harburg durch
Hamburg. Der Bundesminister für Finanzen, Christian Lindner, hatte vor kurzem deutlich gemacht, dass der Ausbau des Sozialstaates nun an sein Ende gelangt sei. „Es brauche vor allem eine Entbürokratisierung und den Willen, strukturelle Reformen auf den Weg zu bringen. Erst so werden Investitionen überhaupt möglich“. Vor dem Hintergrund, dass das Parlament in seiner Sitzung am 16. August 2023 die Mittel für Eingliederungsleistungen im Entwurf der Haushaltsmittel für 2024 um rund 700 Millionen Euro gekürzt hat, wird deutlich, dass auch Hamburger Träger betroffen sein werden. Für Jobcenter team.arbeit.hamburg bedeutete das letztlich eine Reduzierung im Gesamtbudget der zugeteilten Mittel von 2022 auf 2023 von 2,7 Millionen Euro.
Wie die Pressesprecherin vom Team Arbeit Hamburg mitteilt, bedauert die Jobagentur die geplante gravierende Kürzung. Das Jobcenter Hamburg hat entschieden, zunächst rund 800 AGH-Plätze abzusichern, um trotz der unsicheren Lage frühzeitig Perspektiven und Planungstransparenz für die AGH-Träger im Sozialen Arbeitsmarkt und die betroffenen Kundinnen und Kunden zu schaffen. Mit den bereits kommunizierten AGH-Plätzen ab 01.02.2024 gibt das Jobcenter den Beschäftigungsträgern Handlungssicherheit, obwohl für 2024 noch keine definitive Budgetzuteilung erfolgt ist.
Konkret von der Schließung betroffen sind beispielsweise die Angebote des Trägers „KOALA“ in Neugraben. Dort schließen die erst kürzlich eröffneten Maßnahmen bereits zum 31.1.2024 wieder. Darunter das Sozialkaufhaus im SEZ, die Schreibwerkstatt in der Bahnhofstraße und ein Nachhaltigkeitsprojekt. Diese Schließungen treffen Neugraben ins Kontor, denn die Maßnahmen sind nicht nur eine reine Jobmaßnahme, sondern bieten dem Bezirk Harburg, mit seinem mehr als 51% Anteil migrantischer Bürger, wichtigen Mehrwert.
„Ich bedaure sehr, dass der aktuelle Entwurf des Bundeshaushalts Kürzungen im Bereich des SGB II vorsieht, die Auswirkungen auf die Finanzierung von Arbeitsgelegenheit, früher auch als 1-Euro-Jobs bekannt, haben werden. Im Moment sieht es so aus, dass von den bisher stadtweit 1.600 Arbeitsgelegenheit (AGH) ab 2024 nur 800 fortgeführt werden können. Da es sich bei den Arbeitsgelegenheiten um ein rein aus Bundesmitteln finanziertes Instrument handelt, führt das Jobcenter das Auswahlverfahren eigenständig, ohne Einbeziehung der Sozialbehörde durch. Hamburg hat hier leider keinen Einfluss und kann die Kürzungen mit den im Hamburger Haushalt zur Verfügung stehenden Mitteln leider auch nicht kompensieren.“, erklärt der Bürgerschaftsabgeordnete Matthias Czech.
Der Fraktionsvorsitzende der Partei DIE LINKE! in Harburg sieht die Kürzungen anlässlich auch des vom Senats eingeräumten Fachkräftemangels kritisch: „Es ist ein heftiger Kahlschlag der auf Erwerbslose Menschen und soziale Träger in ganz Hamburg zukommt. Der Haushaltsentwurf und die mittelfristige Finanzplanung des Bundes sieht vor, dass der Etat für die Jobcenter um siebenhundert Millionen Euro gekürzt werden solle – zusätzlich zu einer Kürzung von vierhundert Millionen Euro bereits im vergangenen Jahr. Zudem sollen junge Menschen nicht wie bisher vom Jobcenter, sondern von der Arbeitsagentur betreut werden, um Haushaltsmittel einzusparen. Das Bürgergeld solle die Vermittlung in Arbeit und Ausbildung verbessern. Im Wahlkampf haben SPD, Grüne und FDP eine Weiterbildungsoffensive versprochen. Dieses Versprechen hält die Ampel aber mit dem Haushaltsplan nicht ein. Das ist geradezu irrsinnig angesichts des auch vom Senat beklagten Fachkräftemangels. Wir brauchen nicht weniger Ausbildungsförderung und Fortbildungen sondern mehr Qualitätsangebote und einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung.“
Carsten Brück, Fachsprecher der GRÜNEN Fraktion Harburg für Soziales, Integration, Gesundheit und Inklusion sieht die FDP im Zugzwang: „Der Vorschlag der FDP bedroht die Fortführung sozialer Projekte in unserem Bezirk und sogar die Existenz der Träger selbst. Um die zu befürchtenden Insolvenzen zu vermeiden, setzen sich die Grünen in Harburg und Hamburg gemeinsam mit unseren Abgeordneten im Bundestag dafür ein, dass der Haushaltsentwurf auf Bundesebene korrigiert wird.“ Auch Gudrun Schittek, Abgeordnete der Grünen in der Hamburger Bürgerschaft ist enttäuscht: „Wenn sich diese Information bestätigen sollte, wäre das ein außerordentlich großer Verlust für viele Menschen in Neugraben. Die Leistungen da zu kürzen, wo es Menschen ermöglicht wird wieder in Arbeit zu kommen, ist nicht der richtige Weg. Gerade niedrigschwellige Projekte sind wichtig, weil sie Menschen Mut machen, sich zu beteiligen und später eine Arbeit aufzunehmen.“
„Der Bundeshaushalt, der die AGH-Maßnahmen finanziert, wird aber auch erst jetzt im Herbst im Bundestag beraten. Daher könnten sich dort weitere Spielräume ergeben. Ich werde unsere Bundestagsabgeordnete auf die Probleme bei der zukünftigen Finanzierung der niedrigschwelligen Projekte in den Stadtteilen hinweisen und hoffe, dass sich im Bundeshaushalt noch Schwerpunkte verschieben lassen können.“, verspricht Matthias Czech.
Ganz konkret wird auch Ralf Dieter Fischer, Fraktionsvorsitzender der CDU in Harburg: „Wir haben uns bereits mit dem Thema befasst und wollen am Donnerstag in der Fraktionssitzung einen Antrag für die Bezirksversammlung beraten. Die Mittel sind zwar in ihrem Umfang nicht durch Bezirksmittel zu ersetzen, doch gilt es wichtige Strukturen zu schützen.“, so Fischer.